Zu gefährlich, zu teuer und zu langsam verfügbar – Atomkraft ist keine Lösung für die Klimakrise

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Zu gefährlich, zu teuer und zu langsam verfügbar – Atomkraft ist keine Lösung für die Klimakrise

Zu gefährlich, zu teuer und zu langsam verfügbar – Atomkraft ist keine Lösung für die Klimakrise

Nationalen Aktiounskomitee géint Atomkraaft Klima-Bündnis Lëtzebuerg 2012 18 November 2021

Die Luxemburger Regierung muss sich weiterhin vehement gegen die Aufnahme der Atomenergie in die EU-Taxonomie wehren!*

In Europa und darüber hinaus wird aktuell, aufgrund der Klimakrise, seitens der Atomlobby und der mit ihr verbandelten Politiker wieder verstärkt versucht, die Atomkraft als wichtigen Bestandteil eines nachhaltigen Energiemixes zu promoten. Einige pro-Atom Staaten in der EU, allen voran Frankreich, wollen zusätzlich, dass die Atomenergie in die sogenannte „EU Taxonomie[1]“ aufgenommen wird.

Die Argumente, die hierfür auf der politischen Bühne, in der Presse und in den sozialen Medien verbreitet werden, lauten: Atomkraft sei sicher, billig, klimafreundlich und für eine schnelle Dekarbonisierung der Energieversorgung unentbehrlich. Außerdem würde die Atomkraft Europa unabhängiger von Gas-Importen machen. Diese Argumentation stützt sich auch auf einige Organisationen, Unternehmen und Forscher, für die Atomkraft durchaus eine gewisse Rolle auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft spielen kann.

Die tatsächliche Praxis der zivilen Nutzung der Atomkraft über die letzten Jahrzehnte beweist dagegen, dass ein solcher Weg mit erheblichen Problemen und Risiken verbunden wäre, und dem anvisierten Ziel weder heute noch in Zukunft gerecht werden kann. Wie auch bei der Klimakrise werden die Risiken und Kosten, die sowohl die Produktion von Atomstrom als auch die Verarbeitung und Endlagerung des Atommülls mit sich bringen, auf die kommenden Generationen ausgelagert.

Zu gefährlich: In Atomkraftwerken sind jederzeit katastrophale Unfälle mit großen Freisetzungen radioaktiver Schadstoffe möglich. Dies zeigen nicht nur die sogenannten Super-GAUs, z.?B. die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima, sondern auch eine Vielzahl von kleineren Pannen und Unfällen. Die Folgekosten der Fukushima Katastrophe steigen indes weiter und werden inzwischen, je nach Studie, auf 223 bis 758 Milliarden US Dollar geschätzt! Zudem besteht permanent die Gefahr des Missbrauchs von waffenfähigem Spaltmaterial (hochangereichertes Uran bzw. Plutonium) für terroristische Zwecke, sowie für illegale Atombombenprogramme mancher Staaten.

Darüber hinaus muss die Endlagerung der langlebigen, hochradioaktiven Abfälle der Reaktoren – unabhängig davon, ob es sich um große oder kleine Mengen handelt – über eine Million Jahre (!) sicher gewährleistet werden. Ein Ding der Unmöglichkeit!

Zu teuer: Die kommerzielle Nutzung von Atomenergie hat, trotz immenser finanzieller Förderung durch öffentliche Gelder, niemals den Sprung zu einer wettbewerbsfähigen Energiequelle geschafft. Selbst der laufende Betrieb der bestehenden Atomkraftwerke wird zunehmend unwirtschaftlich. Zusätzlich fallen erhebliche und derzeit weitgehend unbekannte Kosten für den Rückbau von Atomkraftwerken und die bereits erwähnte „ewige“ Endlagerung radioaktiver Abfälle an, die von der Öffentlichkeit getragen werden müssen. Die Kosten für AKW Neubauten sind seit den 60er Jahren ständig gestiegen und die wirtschaftliche Rentabilität trotz „atom-freundlicher“ Gesetze, staatlicher Zuschüsse und Garantien nicht erreicht. Die französische AKW-Baufirma Areva stand 2018 vor der Insolvenz, musste vom Staat gerettet werden und existiert nicht mehr in dieser Form. Die US-Firma Westinghouse – immerhin Erfinder des westlichen Druckwasserreaktordesigns – ging 2017 in die Insolvenz. Die Steuerzahler aus South-Carolina (USA) müssen ein 9 Milliarden Dollar Loch füllen, nachdem ein Energieproduzent den Bau zweier Reaktoren nach fast 10 Jahren aufgab, währendem zwei AKW Neubauten in Georgia (USA) bereits über 30 Milliarden Dollar kosten.

Energiewirtschaftliche Analysen zeigen, dass die Einhaltung ambitionierter Klimaschutzziele (globale Erwärmung 1,5° bis unter 2?°C) ohne Atomkraft nicht nur möglich, sondern mit erneuerbaren Energien sogar deutlich kostengünstiger und bürgernäher ist.

Zu langsam: Angesichts des (außer in China) stagnierenden oder rückläufigen Atomreaktorbaus, einer Planungs- und Bauzeit von zwei Jahrzehnten (und mehr), Kostenexplosionen bis hin zu x4 und x5 (EPR in Flamanville und in Finnland) sowie über die nächsten 15 Jahre absehbar geringen technischen Innovationen, kann Atomkraft in dem für die Bekämpfung der Klimakrise relevanten Zeitraum keine Rolle spielen. Die Atomkraft deckt lediglich 10% des weltweiten Strombedarfs ab und  nur 4% der Primärenergie.

Die Reaktorzahl müsste demnach von den 415 heute aktiven (Juli 2021) auf mehrere Tausend vervielfacht werden, inklusive Kosten, Gefahren und Uran-Versorgung. Der Bau eines einzigen neuen EPR-Reaktors dauert in Frankreich aber bereits 14 Jahre, die Konzeptentwicklung startete bereits vor 30 Jahren (1992) und die Kosten werden inzwischen vom französischem Rechnungshof auf 19,1 Milliarden geschätzt (ursprünglich waren 3,3 Milliarden vorgesehen). Zudem stehen den weltweit 53 laufenden Bauprojekten rund 200 Abschaltungen bis 2030 gegenüber. Auch die in aktuellen Diskussionen gehypten SMR-Konzepte („Small Modular Reactors“) und AKW Konzepte der „4. Generation“ sind noch technisch unausgereift und weit von kommerziellen Einsätzen entfernt.

Zu kurzsichtig: Atomkraftwerke brauchen bei laufendem Betrieb enorme Mengen an Kühlwasser. AKW-Standorte befinden sich deshalb immer in der Nähe von Flüssen oder Küsten. Wenn nun die Temperatur des Wassers bei anhaltenden Hitzeperioden ansteigt, wird das problematisch – denn das Wasser ist dann zur Kühlung einfach zu warm. Ein weiteres Problem bei Hitzewellen ist der fallende Wasserdurchsatz von Flüssen. Mehrfach mussten deswegen z.B. in Frankreich bereits AKWs heruntergefahren werden, da der angrenzende Fluss nicht mehr genügend Wasser mit sich führte. Atomkraftwerke sind demnach nicht immun gegen die Klimakrise.

Zu sperrig: Die größte Herausforderung beim notwendigen Umbau unserer Energieversorgung liegt in der Überwindung der Widerstände („Lock-in“) des alten, von fossilen Kraftwerken dominierten Systems. Atomenergie ist nicht geeignet, diesen Umbauprozess zu unterstützen, sondern blockiert diesen sogar: durch Innovations- und Investitionsblockaden. Nuklearer Wasserstoff, umgangssprachlich „rosa“ Wasserstoff genannt, ist weder aus technischen noch aus ökonomischen Gründen eine Option zur Steigerung der Auslastung von Atomkraftwerken und alles andere als ökologisch nachhaltig. Zudem ist die Atomwende auch eine notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Endlagersuche.

 

Fazit: Atomenergie ist nicht in der Lage, in Hinblick auf die Klimakrise und das immer kleiner werdende Reaktionszeitfenster, einen sinnvollen Beitrag zum Aufbau einer klimaverträglichen Energieversorgung zu leisten. Atomkraft ist zu gefährlich, zu teuer und zu langsam verfügbar; darüber hinaus blockiert sie den notwendigen sozial-ökologischen Transformationsprozess, ohne den ambitionierte Klimaschutzziele nicht erreichbar sind. Auch das Argument einer größeren Unabhängigkeit der europäischen Energieversorgung durch den Ausbau der Atomenergie hält einer näheren Analyse nicht stand, kommt doch das dafür notwendige Rohmaterial auch aus politisch unstabilen und undemokratischen Regionen und Staaten wie z.B. dem Niger oder Kasachstan.

Aus all diesen Gründen kann Atomkraft keine Lösung für die Klimakrise sein, auch da sie selbst in Zukunft immer stärker durch deren Auswirkungen beeinträchtigt wird. Das Nationale Aktionskomitee gegen Atomkraft ** begrüßt ausdrücklich, dass die Luxemburger Regierung ihren Widerstand gegen eine Förderung der Atomenergie durch öffentliche Gelder immer wieder klar zum Ausdruck bringt und auf internationaler Ebene Bündnisse schmiedet.

Die drohende Aufnahme der Atomkraft als nachhaltige Energiequelle in die EU-Taxonomie wäre aber ein herber Rückschlag für eine kostengünstige und ökologisch nachhaltige Energiewende. Wir appellieren deshalb an alle luxemburgischen Regierungsvertreter, ihre Anstrengungen in den nächsten Wochen weiter zu verstärken und ein EU Atom-Greenwashing mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern!

 

[1] Ziel dieser Klimaschutz-Taxonomie ist es, Investitionen vermehrt in ökologisch nachhaltige Tätigkeiten zu lenken und die Bereiche zu definieren, die am meisten zur Erreichung der EU-Klimaziele beitragen sollen. Private wie auch institutionelle Anleger werden hiermit in die Lage versetzt, ihre Investitionen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umzustellen. Der Großteil des Taxonomie-Paketes ist bereits seit April/Mai bekannt, lediglich die Bewertung hochumstrittener Bereiche, wie z.B. der Atomenergie, wurden vorerst ausgeklammert, dürften aber in Kürze vorlegelegt werden. 

*Diese Pressemitteilung basiert in Teilen auf einem Diskussionsbeitrag der Scientists for Future

** Mouvement Ecologique, Greenpeace, OGBL, FNCTTFEL-Landesverband, LSAP, déi gréng, Forum, ADR, déi jonk gréng, DP, FGFC, JSL – Jeunesses Socialistes Luxembourgeoises, Luxemburger Kommission Justitia et Pax, KPL, LCGB, Lëtzebuerger Guiden a Scouten, Fairtrade Lëtzebuerg asbl, déi Lénk, attac Luxembourg, Klima-Bündnis Lëtzebuerg, Eurosolar, Syprolux, FNCTTFEL-Jugend, natur&ëmwelt a.s.b.l., Adrenalin-déi jonk ADR, Friddensinitiativ asbl, Association Luxembourgeoise de Médecine de l’Environnement (A.L.M.E.N.), CSV, Ligue CTF.

 

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