Meilenstein im Rechtsstreit mit Chevron-Texaco

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Meilenstein im Rechtsstreit mit Chevron-Texaco

Meilenstein im Rechtsstreit mit Chevron-Texaco

Klima-Bündnis Lëtzebuerg Aus der Praxis 21 September 2015

Texaco hat in den 70er und 80er Jahren mitten im tropischen Regenwald durch seine rücksichtslosen Fördermethoden das größte Öldesaster in Lateinamerika angerichtet. Die Bewohner der Ölregion hatten sich 1993 zur Frente de Defensa de la Amazonia zusammengeschlossen und Texaco in den USA, ihrem Stammsitz, auf Wiedergut-machung verklagt – es wurde der weltweit größte Prozess gegen einen Ölmulti, ein Prozess von David gegen Goliath. Nach acht Jahren entschieden die US-Richter in New York auf Betreiben von Texaco, dass das Gericht von Lago Agrio – mitten in der Förderregion – zuständig sei. Dort wurde der Prozess im Mai 2003 neu eröffnet. Ein vom Gericht beauftragter neutraler Gutachter schätzte im April 2010 die Summe dieser Schäden auf bis zu 16 Mrd Dollar.

Im Februar 2011 verurteilte das Gericht Chevron, das mittlerweile Texaco geschluckt hatte, zu einer Strafe in Höhe von 8 Milliarden Dollar und einer öffentlichen Entschuldigung; entschuldige es sich nicht, verdoppele sich die Strafe. Chevron erkannte das Urteil nicht an, beschuldigte das Gericht und die gesamte ecuadorianische Justiz der Korruption und versuchte in den USA, seine Unwirksamkeit zu erstreiten. Am 9. Oktober 2012 lehnte der Oberste Gerichtshof der USA – nach Revisionen durch alle Instanzen hinauf – das Ersuchen ChevronTexacos auf Rechtsunwirksamkeit des ecuadorianischen Urteils jedoch ab; das Urteil bedeutete, dass Chevron die Bewohner der Region Sucumbios und den Staat Ecuador entschädigen müsse. Am 15. Oktober 2012 verfügte das Gericht von Sucumbios die sofortige Beschlagnahmung der Guthaben von ChevronTexaco in Ecuador; allerdings hatte ChevronTexaco bereits 2007 in weiser Voraussicht alle Vermögenswerte in Ecuador veräußert bzw. in anderen Länder transferiert; so ermöglichte das Urteil unmittelbar nur einen Griff in leere Taschen.

Weltweit auf der Suche nach Gerechtigkeit

Allerdings konnten ab jetzt auch Chevrons Guthaben in anderen Ländern beschlagnahmt werden. Folglich waren die Anwälte gezwungen, die Entschädigung überall auf der Welt zu suchen und zu erstreiten, wo Chevron Kapital hat. Sie verklagten Chevron in Argentinien (ohne Erfolg) sowie in Brasilien und Kanada, wo Chevron Milliarden vor allem in Tiefseebohrungen (im Südatlantik vor Rio de Janeiro) und in den Abbau von Teersanden (in Alberta) investiert hat.

Seit 2012 versuchten zwei große Anwaltskanzleien in Kanada im Auftrag Chevrons über alle Instanzen hinauf, die Zulassung des Prozesses in Kanada zu verhindern. Nach nunmehr drei Jahren hat Anfang September 2015 das Oberste Gericht von Kanada einstimmig geurteilt, dass der Prozess gegen Chevron zugelassen ist. Dies bedeutet zwar noch kein Urteil in der Sache, aber eine reale Gefahr für den Ölkonzern:

–        Chevron hat in Kanada Werte in Höhe von ca. 15 Mrd. Dollar, die es nicht so einfach wie in Ecuador in ein anderes Land transferieren kann; es macht dort jährliche Gewinne von rund 3 Mrd. Dollar, ist also durchaus zahlungsfähig.

–        Das Gericht hat in seiner Begründung das Prinzip der internationalen Gegenseitigkeit unterstrichen: Wenn ein Land möchte, dass seine Urteile auch in anderen Ländern anerkannt werden, dann muss es selbst auch Urteile anderer Länder anerkennen. Chevrons Vorwurf, Ecuadors Justiz sei korrupt, ist damit vom Tisch gewischt.

–        Chevron steht vor einem Image-GAU, denn der Prozess bedeutet, dass zum ersten Mal in einem der führenden ölproduzierenden Staaten der Industrieländer seine rücksichtslosen Praktiken in aller Öffentlichkeit vorgeführt werden.

–        Chevrons finanzieller Vorteil gegenüber den armen Klägern entfällt, da die Kosten der Klage mit ihrer Anerkennung drastisch gesunken sind. Seine Salami-Taktik, die Gegner über die Jahre finanziell auszutrocknen, geht nicht auf. Zudem summieren sich die Zinsen auf die Höhe der Entschädigung immer weiter – inzwischen liegt sie bei 9,5 Mrd. Dollar.

Chevron dürfte seinerseits im Falle einer Verurteilung versuchen zu argumentieren, dass seine Vermögen in Kanada Eigentum von Filialen sind, die nichts mit dem Verhalten von Texaco in Ecuador zu tun haben. Man darf auf seine schriftliche Stellungnahme noch im Oktober gespannt sein … Sollte Chevron auch dieses Urteil umgehen können, dann könnte dies zu einem Präzedenzfall für die faktische Straflosigkeit multinationaler Konzerne werden. Aber die Zeichen stehen diesmal anders.

Video zum Projekt in Ecauador

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